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Die Sterilisation geistig Behinderter nach §1905 BGB in der Fassung eines Entwurfs des Betreuungsgesetzes (BtG)

Author(s) / Creator(s)

Finger, Peter

Abstract / Description

Diskussionen über die Sterilisation geistig Behinderter sind immer noch in hohem Maße durch die schlimmen Auswirkungen national-sozialistischer Politik belastet, die sich in der damaligen Gesetzgebung (insbesondere Erbgesundheitsgesetz) nur schlecht verbarg. Diese Vorschriften sind inzwischen zwar aufgehoben, damit ist die Erscheinung selbst aber nicht beseitigt. Vielmehr wurden zuletzt und ohne tragfähige Rechtsgrundlage bei uns etwa 1000 geistig behinderte Menschen im Jahr oft noch kurz vor Vollendung des 18 Lebensjahres ohne ihre Einwilligung sterilisiert. Meist gingen dabei die Eltern und die behandelnden Ärzte ein eigenes Bündnis ein. Vor diesem Hintergrund muß der Gesetzgeber tätig werden, darüber sind sich die im Bundestag vertretenen politischen Kräfte und die in der Behindertenarbeit tätigen Einrichtungen praktisch einig. Der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf für ein Betreuungsgesetz ist gleichwohl weitgehend verfehlt. Die enge und weitgehend unpassende Verbindung zu § 218 a StGB aus den früheren Entwürfen ist inzwischen zwar zu Teilen aufgegeben. Nach wie vor aber haben behinderte Frauen besondere Lasten zu tragen, die behinderten Männern nicht aufgebürdet sind. Für die medizinische Indikation (Leib- und Lebensgefahr der Schwangeren) bestimmt §1905 Abs 1 Nr 4 BGB in der geplanten Neufassung die Anforderungen selbst. Für die eugenische Indikation enthält § 1905 BGB zwar keine eigene Regelung mehr, doch kann sie weiterhin unschwer dem allgemeinen Eingriffstatbestand zugeordnet werden. Soziale Indikationen können bei §218 a StGB in der besonderen, aktuellen und sonst nicht behebbaren Notlage der Mutter den Schwangerschaftsabbruch straflos erscheinen lassen, doch stellen wir uns nur ein Armutszeugnis aus, wenn wir nicht behinderten Menschen in ihrer ganz anderen Lebenssituation Hilfe und Unterstützung anbieten können.

Keyword(s)

Geistige Behinderung Schwangerschaftsabbruch Sterilisation Deutschland / Betreuungsgesetz Geistige Behinderung Sterilisation (Medizin) Gesetze Geschlechtsdiskriminierung Mental Retardation Sterilization (Sex) Laws Sex Discrimination West Germany

Persistent Identifier

Date of first publication

1990

Publication status

unknown

Review status

unknown

Citation

  • Author(s) / Creator(s)
    Finger, Peter
  • PsychArchives acquisition timestamp
    2022-11-22T09:36:41Z
  • Made available on
    2012-02-07
  • Made available on
    2015-12-01T10:32:27Z
  • Made available on
    2022-11-22T09:36:41Z
  • Date of first publication
    1990
  • Abstract / Description
    Diskussionen über die Sterilisation geistig Behinderter sind immer noch in hohem Maße durch die schlimmen Auswirkungen national-sozialistischer Politik belastet, die sich in der damaligen Gesetzgebung (insbesondere Erbgesundheitsgesetz) nur schlecht verbarg. Diese Vorschriften sind inzwischen zwar aufgehoben, damit ist die Erscheinung selbst aber nicht beseitigt. Vielmehr wurden zuletzt und ohne tragfähige Rechtsgrundlage bei uns etwa 1000 geistig behinderte Menschen im Jahr oft noch kurz vor Vollendung des 18 Lebensjahres ohne ihre Einwilligung sterilisiert. Meist gingen dabei die Eltern und die behandelnden Ärzte ein eigenes Bündnis ein. Vor diesem Hintergrund muß der Gesetzgeber tätig werden, darüber sind sich die im Bundestag vertretenen politischen Kräfte und die in der Behindertenarbeit tätigen Einrichtungen praktisch einig. Der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf für ein Betreuungsgesetz ist gleichwohl weitgehend verfehlt. Die enge und weitgehend unpassende Verbindung zu § 218 a StGB aus den früheren Entwürfen ist inzwischen zwar zu Teilen aufgegeben. Nach wie vor aber haben behinderte Frauen besondere Lasten zu tragen, die behinderten Männern nicht aufgebürdet sind. Für die medizinische Indikation (Leib- und Lebensgefahr der Schwangeren) bestimmt §1905 Abs 1 Nr 4 BGB in der geplanten Neufassung die Anforderungen selbst. Für die eugenische Indikation enthält § 1905 BGB zwar keine eigene Regelung mehr, doch kann sie weiterhin unschwer dem allgemeinen Eingriffstatbestand zugeordnet werden. Soziale Indikationen können bei §218 a StGB in der besonderen, aktuellen und sonst nicht behebbaren Notlage der Mutter den Schwangerschaftsabbruch straflos erscheinen lassen, doch stellen wir uns nur ein Armutszeugnis aus, wenn wir nicht behinderten Menschen in ihrer ganz anderen Lebenssituation Hilfe und Unterstützung anbieten können.
    de
  • Publication status
    unknown
  • Review status
    unknown
  • ISSN
    0032-7034
  • Persistent Identifier
    https://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:bsz:291-psydok-34059
  • Persistent Identifier
    https://hdl.handle.net/20.500.11780/1278
  • Persistent Identifier
    https://doi.org/10.23668/psycharchives.11912
  • Language of content
    deu
  • Is part of
    Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. - 39.1990, 4, S. 132-138
  • Keyword(s)
    Geistige Behinderung
    de
  • Keyword(s)
    Schwangerschaftsabbruch
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  • Keyword(s)
    Sterilisation
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    Deutschland / Betreuungsgesetz
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    Gesetze
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    Mental Retardation
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    Sterilization (Sex)
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    Laws
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  • Keyword(s)
    Sex Discrimination
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  • Keyword(s)
    West Germany
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  • Dewey Decimal Classification number(s)
    150
  • Title
    Die Sterilisation geistig Behinderter nach §1905 BGB in der Fassung eines Entwurfs des Betreuungsgesetzes (BtG)
    de
  • DRO type
    article
  • Visible tag(s)
    PsyDok
  • Visible tag(s)
    Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie