Report

Wissenschaftliche Begleitforschung des Berliner Krisendienstes

Author(s) / Creator(s)

Zimmermann, Ralf-Bruno
Bergold, Jarg B.

Abstract / Description

Die dem hier vorgelegten Abschlussbericht zugrunde liegende Studie über die Tätigkeit des Berliner Krisendienstes (BKD) wurde von dem Bezirksamt Charlottenburg in Auftrag gegeben, das wiederum seinerseits von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales beauftragt worden war. Diesem war durch Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zwischen den Berliner Bezirksämtern die Zuständigkeit für die Förderung und Umsetzung der ambulanten Krisenversorgung im Land Berlin übertragen worden. Das Bezirksamt Charlottenburg beauftragte die Freie Universität Berlin in Kooperation mit der Katholischen Hochschule Berlin, die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des landesweiten Krisendienstes vorzunehmen. Die Ergebnisse der Begleitforschung sollen eine Grundlage für die Entscheidung über "die zukünftige Struktur, die Arbeitsweise und das Leistungsprofil der ambulanten Krisenversorgung im Land Berlin" nach Ablauf der dreijährigen Erprobungsphase bilden. Außerdem sollte die Begleitforschung durch eine zeitnahe Umsetzung der Forschungsergebnisse "die effektive Entwicklung sowie die Strukturierung und Weiterentwicklung des landesweiten ambulanten Krisendienstes unterstützen." Auf diese Weise sollte die Begleitforschung ein integraler Bestandteil des Qualitätsmanagements sein. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, wurde von den beiden Hochschulen ein Begleitforschungskonzept vorgelegt, das der komplexen Untersuchungssituation gerecht werden sollte. Es handelte sich um einen sozialwissenschaftlichen Forschungsansatz, bei dem nicht nur der "outcome", sondern auch die Einbettung des BKD in das Beziehungsgeflecht der psychosozialen und gemeindepsychiatrischen Versorgung Berlins Beachtung fand. Im Sinne von LEBOW (1992) handelt es sich dabei um ein "community impact model" der Evaluation. Als Konsequenz stand zunächst die Beschreibung des BKD in seinem Kontext und in seiner Entwicklung im Vordergrund. Dies wird durch die Einbeziehung des methodologischen Prinzips der Triangulation ermöglicht, bei der nach den Vorstellungen von DENZIN (1978) eine Kombination von Methodologien und Methoden bei der Untersuchung eines Phänomens genutzt werden. Hierdurch lassen sich komplexe Forschungsgegenstände vielfältig und facettenreich beschreiben. In der vorliegenden Untersuchung wurde dies durch die Verwendung quantitativer und qualitativer Untersuchungsansätze, durch vielfältige Erhebungs- und Auswertungsmethoden sowie unterschiedliche Untersucher realisiert. Auch für die Entwicklung von Beurteilungskriterien der Güte der Arbeit des BKD wurde ein Ansatz herangezogen, der aus der neueren sozialwissenschaftlichen Evaluationsforschung hervorgegangen ist. Problem der Beurteilung ist, dass jeder Beurteilung ein Werturteil zugrunde liegt. Diese Werte sind aber nicht wissenschaftlich ableitbar, sondern sie leiten sich aus bestimmten Grundüberzeugungen und Interessen des jeweiligen Beurteilers und sind eng mit seinem jeweiligen 3 Begleitforschungsvertrag zwischen dem Bezirksstadtrat für Gesundheit und Soziales und der Freien Universität vom 27.7.1999 Standort im sozialen Gefüge verbunden. "Was dem Einen sin Uhl ist dem Anderen sin Nachtigall." Dieser alte Spruch verdeutlicht das Problem. Es hilft auch nur begrenzt, wenn man wissenschaftliche Überlegungen heranzieht. Auch "die Wissenschaft" ist nur ein spezieller Standort, von dem aus man Bewertungskriterien formulieren kann. Ob diese Kriterien dann für die Nutzer des BKD, für die Mitarbeiter, für die Verwaltung oder für die Politiker brauchbar sind, ist zumindest manchmal durchaus fragwürdig. Aus diesem Grund wurde eine Strategie gewählt, die in der Literatur zu Evaluation als Stakeholder-Ansatz bekannt ist. Dieser besagt, dass die Bewertungsmaßstäbe unterschiedlicher Interessentengruppen in die Untersuchung einbezogen und im Rahmen der Untersuchung erhoben werden müssen. Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass zunächst von den Zielsetzungen ausgegangen wird, die in der "Konzeption einer ambulanten Krisenversorgung für Berlin" niedergelegt sind, die den Ausgangspunkt für den Berliner Krisendienst bildet. Sie wurde von einer von der zuständigen Senatsverwaltung initiierten Arbeitsgruppe mit anschließender Diskussion und Modifikation mit der Berliner Fachöffentlichkeit (Landespsychiatriebeirat) und der Verwaltung (Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, bezirkliche Verwaltungen) entwickelt. Aufgrund dieser Geschichte wird angenommen, dass dieses Konzept den damaligen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessensgruppen bzw. methodischen Ansätzen in Berlin widerspiegelt. Es muss daher geprüft werden, ob die dort genannten Ziele auch erreicht worden sind und wo Abweichungen stattgefunden haben. In dieses Konzept wurden nachweislich bereits die fachliche Norm aus den "Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention zur Organisation von Krisenintervention" aufgenommen (FREYTAG et al. 1998). Auch diese Normen werden daher als Ausgangspunkt der Beurteilung benutzt. Genauso bedeutungsvoll aber sind die Kriterien und Bewertungen der unterschiedlichen Beteiligten, also der einzelnen Stakeholder, die in der einen oder anderen Weise mit dem Krisendienst zu tun haben. Dazu gehören die verschiedenartigen Nutzer (Klienten, Angehörige, Professionelle aus dem Versorgungssystem), Mitarbeiter des BKD, Einrichtungen der Berliner Versorgung, Ärzte, Einwohner von Berlin als potentielle Nutzer usw. Die Kriterien dieser stakeholder sollten in eigenen Untersuchungen erhoben werden. Um der Forderung des Auftraggebers nachkommen zu können, auch die Weiterentwicklung und das Qualitätsmanagement des Berliner Krisendienstes zu unterstützen, wurden sowohl Elemente einer formativen wie auch einer summativen Evaluation in das Design aufgenommen. Bei ersterer werden die Ergebnisse am Ende eines Projekts untersucht und es wird beurteilt, ob die Maßnahme im Sinne ihrer Zielsetzung erfolgreich war oder nicht. Bei letzterer fließen die Forschungsergebnisse kontinuierlich in die Entwicklung des Projekts ein und steuern die Entwicklung mit. In der nachfolgenden Studie wurden die Ergebnisse in unterschiedlicher Form immer wieder an den BKD zurückgemeldet (Zwischenberichte, Gesamtteamtreffen, Besprechungen mit Mitarbeiter-AGs und Geschäftsführern, Diskussionsforum Berliner Krisendienst, Sonderauswertungen für unterschiedliche Diskussionen und Präsentationen des BKD usw.), der vorliegende Bericht gibt aber gleichzeitig auch im Sinn einer summativen Evaluation einen Einblick in den Stand des BKD, den er am Ende der Erprobungsphase erreicht hat. Die Systematik, die dem Design der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegt, ist diejenige des Qualitätsmanagements. Qualitätsmanagement und Evaluation durchdringen sich häufig gegenseitig. Darauf hat u.a. TROJAN & LEGGEWIE (1999) verwiesen. Aspekte wie Struktur, Prozess und Ergebnis werden zur Gliederung beider Bereiche genutzt. Dies ist aber nicht nur eine äußerliche Ähnlichkeit, sondern beide Ansätze sind miteinander verwoben, ergänzen und fördern einander, vor allem dann, wenn man Evaluation als formative Evaluation im oben beschriebenen sozialwissenschaftlichen Sinne versteht. Die Untersuchung, die eigentlich aus einer Vielzahl von aufeinander bezogenen Einzeluntersuchungen besteht, wurde daher nach dieser Systematik strukturiert. Hinsichtlich der Struktur- oder Potentialdimension sollte laut Konzept eine sorgfältige Deskription der materiellen und ideellen Voraussetzungen des BKD vorgenommen werden. Hierunter zählen sowohl die materielle Ausstattung der Dienste, ihre Organisationsstruktur, die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Mitarbeiter als auch ihre Einbettung in der Region, ihre verkehrstechnische Erreichbarkeit usw. Zu diesem Bereich gehörte auch die Entwicklung einer Basisdokumentation, die eine kontinuierliche Erfassung von Daten für unterschiedliche Zwecke erlauben sollte. (Entwicklung der Inanspruchnahme des Krisendienstes, Beschreibung des Klientels, Arbeitsweise der Dienste, Vernetzung, persönliche Einschätzung des Einsatzes durch die Mitarbeiter usw.). Die Prozessqualität sollte vornehmlich zusammen mit den Mitarbeitern im Rahmen der Selbstbeforschung untersucht und verbessert werden. Hierzu sollten Schlüsselprozesse im Rahmen eines Prozessgliederungsplanes bestimmt werden, die dann beschrieben und schrittweise verbessert werden sollten. Zusätzlich sollten aber auch Informationen über die Art und die Formen der Interventionen mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren (qualitative und quantitative Analysen von Daten aus der Basisdokumentation, Klientenaussagen), gesammelt werden, so dass Aussagen über die Prozessqualität der Arbeit möglich sein sollten. Neben der Arbeit mit den Klienten ist die Vernetzung und Kooperation mit den regionalen Einrichtungen der psychosozialen und psychiatrischen Versorgung eine wichtige Aufgabe des BKD. Beide stellen zentrale Forderungen im Rahmen der Gesundheitsversorgung, -planung und -förderung dar; mit ihnen verbinden sich eine Vielzahl von Erwartungen an die Verbesserung der Versorgung, an die Identifizierung von Rationalisierungs- und Kosteneinsparungspotentialen usw. Die Untersuchung der Kooperation und der Vernetzung der Versorgungseinrichtungen und der Mitarbeiter sollte daher einen der Schwerpunkte der Evaluation darstellen. Die Untersuchung und der Nachweis von Bezügen zum und Auswirkungen auf das gesamte Versorgungssystem erschien von besonderem Interesse. Diese Aspekte sollten in der Studie ein besonderes Gewicht erhalten, wobei auch untersucht werden sollte, wie die Steuerung des Krisendienstes durch einen beauftragten Bezirk gelingt bzw. inwieweit die Bezirke in den einzelnen Regionen in die jeweilige Arbeit der Standorte einbezogen werden. Besonders interessant schien dabei das Vernetzungspotential zu sein, das durch die Honorarmitarbeiter repräsentiert wird. Durch ihre Doppelrolle als Mitarbeiter der regionalen Einrichtung und des Krisendienstes sind sie in der Lage, die Vernetzung als Person zu betreiben und unterschiedliche Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Einrichtungen herzustellen. Zur Untersuchung von Synergieeffekten durch Vernetzung und Bekanntheitsgrad lagen aus vorangegangenen Untersuchungen Fragebögen mit entsprechenden Unterskalen vor. Hieraus sollte ein entsprechender Fragebogen konstruiert werden. Zur Abschätzung der Ergebnisqualität sollten die Ziele und Kriterien für erfolgreiche Tätigkeit des BKD aus mehreren Perspektiven heraus erhoben werden. Dieses Vorgehen entspricht dem oben genannten Stakeholder-Ansatz, bei dem davon ausgegangen wird, dass bei unterschiedlichen Interessengruppen unterschiedliche Kriterien und Bewertungen der Angebote zu finden sein werden. Grob lassen sich zunächst folgende Gruppen und Zielformulierungen unterscheiden, die einbezogen werden müssen: ? die Auftraggeber, also das Bezirksamt Charlottenburg von Berlin bzw. die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sowie die einzelnen Bezirke ? die Antragsteller, also der Trägerverbund Berliner Krisendienste (GbR) ? die Mitarbeiter der Krisendienste, sowohl Kernteam als auch Honorarmitarbeiter ? die Mitarbeiter der übrigen psychosozialen/psychiatrischen Versorgung in Berlin ? die Bevölkerung bzw. die potentiellen Nutzer der Einrichtungen ? die Forscher Die jeweiligen Zielsetzungen und die späteren Bewertungen sollten auf unterschiedliche Weise dokumentiert und analysiert werden. Die Zielsetzungen des Auftraggebers und des Antragstellers sind im Konzeptpapier repräsentiert. Die dort angesprochenen expliziten und impliziten Zielsetzungen sollten analysiert und operationalisiert werden, um auf diese Weise Instrumente zur Bewertung aus dieser Perspektive zu gewinnen. Die Zielsetzungen und Kriterien der Kernteammitarbeiter sollten in einer Zukunftswerkstatt gemeinsam entwickelt, in der Selbstbeforschung bearbeitet und in qualitativen Interviews erhoben werden. Die Mitarbeiter des regionalen Versorgungssystems sollten mit Hilfe eines Fragebogens gebeten werden, ihre Zielsetzungen, Einstellungen zur Krisenarbeit, Wünsche und Anregungen bekannt zu machen. Als wünschenswert wurde formuliert, die Erwartungen Einstellungen und Gütekriterien der Bevölkerung, d.h. auch der potentiellen Nutzer, einzubeziehen. Anhand der Literatur und von Untersuchungsergebnissen der Forschergruppe sollten ebenfalls Erfolgskriterien entwickelt werden, die aus einer wissenschaftlichen Perspektive die Einschätzung der Ergebnisqualität erlauben. Als solche allgemeine Außenkriterien für die Evaluation sollten auch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention zur Organisation von Krisenintervention dienen (FREYTAG et al. 1998). Auch eine gesundheitsökonomische Analyse sollte einbezogen werden, wobei die Möglichkeiten dazu eher als gering eingeschätzt wurden, da zum Vergleich Daten über die Kosten des gesamten Systems der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung in Berlin nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stünden. Auf alle Fälle sollten jedoch die Kosten der einzelnen Interventionsbausteine (z.B. Telefongespräch, persönliches Gespräch, Hausbesuch usw.) berechnet werden. Hierdurch werde es möglich, die Kosten der Aktivitäten der Mitarbeiter anzugeben und ggf. mit den Kosten anderer Einrichtungen zu vergleichen.

Keyword(s)

Gemeindepsychologie Krisenintervention Evaluation Psychische Gesundheit Öffentliches Gesundheitswesen Qualitative Methode Intervention Gesundheitspsychologie Versorgungssysteme Krisendienst Berliner Krisendienst Mental Health Public Health Evaluation

Persistent Identifier

Date of first publication

2003

Citation

  • Author(s) / Creator(s)
    Zimmermann, Ralf-Bruno
  • Author(s) / Creator(s)
    Bergold, Jarg B.
  • PsychArchives acquisition timestamp
    2022-11-17T11:08:22Z
  • Made available on
    2003-11-25
  • Made available on
    2015-12-01T10:29:45Z
  • Made available on
    2022-11-17T11:08:22Z
  • Date of first publication
    2003
  • Abstract / Description
    Die dem hier vorgelegten Abschlussbericht zugrunde liegende Studie über die Tätigkeit des Berliner Krisendienstes (BKD) wurde von dem Bezirksamt Charlottenburg in Auftrag gegeben, das wiederum seinerseits von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales beauftragt worden war. Diesem war durch Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zwischen den Berliner Bezirksämtern die Zuständigkeit für die Förderung und Umsetzung der ambulanten Krisenversorgung im Land Berlin übertragen worden. Das Bezirksamt Charlottenburg beauftragte die Freie Universität Berlin in Kooperation mit der Katholischen Hochschule Berlin, die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des landesweiten Krisendienstes vorzunehmen. Die Ergebnisse der Begleitforschung sollen eine Grundlage für die Entscheidung über "die zukünftige Struktur, die Arbeitsweise und das Leistungsprofil der ambulanten Krisenversorgung im Land Berlin" nach Ablauf der dreijährigen Erprobungsphase bilden. Außerdem sollte die Begleitforschung durch eine zeitnahe Umsetzung der Forschungsergebnisse "die effektive Entwicklung sowie die Strukturierung und Weiterentwicklung des landesweiten ambulanten Krisendienstes unterstützen." Auf diese Weise sollte die Begleitforschung ein integraler Bestandteil des Qualitätsmanagements sein. Um diesen Anforderungen zu entsprechen, wurde von den beiden Hochschulen ein Begleitforschungskonzept vorgelegt, das der komplexen Untersuchungssituation gerecht werden sollte. Es handelte sich um einen sozialwissenschaftlichen Forschungsansatz, bei dem nicht nur der "outcome", sondern auch die Einbettung des BKD in das Beziehungsgeflecht der psychosozialen und gemeindepsychiatrischen Versorgung Berlins Beachtung fand. Im Sinne von LEBOW (1992) handelt es sich dabei um ein "community impact model" der Evaluation. Als Konsequenz stand zunächst die Beschreibung des BKD in seinem Kontext und in seiner Entwicklung im Vordergrund. Dies wird durch die Einbeziehung des methodologischen Prinzips der Triangulation ermöglicht, bei der nach den Vorstellungen von DENZIN (1978) eine Kombination von Methodologien und Methoden bei der Untersuchung eines Phänomens genutzt werden. Hierdurch lassen sich komplexe Forschungsgegenstände vielfältig und facettenreich beschreiben. In der vorliegenden Untersuchung wurde dies durch die Verwendung quantitativer und qualitativer Untersuchungsansätze, durch vielfältige Erhebungs- und Auswertungsmethoden sowie unterschiedliche Untersucher realisiert. Auch für die Entwicklung von Beurteilungskriterien der Güte der Arbeit des BKD wurde ein Ansatz herangezogen, der aus der neueren sozialwissenschaftlichen Evaluationsforschung hervorgegangen ist. Problem der Beurteilung ist, dass jeder Beurteilung ein Werturteil zugrunde liegt. Diese Werte sind aber nicht wissenschaftlich ableitbar, sondern sie leiten sich aus bestimmten Grundüberzeugungen und Interessen des jeweiligen Beurteilers und sind eng mit seinem jeweiligen 3 Begleitforschungsvertrag zwischen dem Bezirksstadtrat für Gesundheit und Soziales und der Freien Universität vom 27.7.1999 Standort im sozialen Gefüge verbunden. "Was dem Einen sin Uhl ist dem Anderen sin Nachtigall." Dieser alte Spruch verdeutlicht das Problem. Es hilft auch nur begrenzt, wenn man wissenschaftliche Überlegungen heranzieht. Auch "die Wissenschaft" ist nur ein spezieller Standort, von dem aus man Bewertungskriterien formulieren kann. Ob diese Kriterien dann für die Nutzer des BKD, für die Mitarbeiter, für die Verwaltung oder für die Politiker brauchbar sind, ist zumindest manchmal durchaus fragwürdig. Aus diesem Grund wurde eine Strategie gewählt, die in der Literatur zu Evaluation als Stakeholder-Ansatz bekannt ist. Dieser besagt, dass die Bewertungsmaßstäbe unterschiedlicher Interessentengruppen in die Untersuchung einbezogen und im Rahmen der Untersuchung erhoben werden müssen. Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass zunächst von den Zielsetzungen ausgegangen wird, die in der "Konzeption einer ambulanten Krisenversorgung für Berlin" niedergelegt sind, die den Ausgangspunkt für den Berliner Krisendienst bildet. Sie wurde von einer von der zuständigen Senatsverwaltung initiierten Arbeitsgruppe mit anschließender Diskussion und Modifikation mit der Berliner Fachöffentlichkeit (Landespsychiatriebeirat) und der Verwaltung (Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, bezirkliche Verwaltungen) entwickelt. Aufgrund dieser Geschichte wird angenommen, dass dieses Konzept den damaligen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessensgruppen bzw. methodischen Ansätzen in Berlin widerspiegelt. Es muss daher geprüft werden, ob die dort genannten Ziele auch erreicht worden sind und wo Abweichungen stattgefunden haben. In dieses Konzept wurden nachweislich bereits die fachliche Norm aus den "Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention zur Organisation von Krisenintervention" aufgenommen (FREYTAG et al. 1998). Auch diese Normen werden daher als Ausgangspunkt der Beurteilung benutzt. Genauso bedeutungsvoll aber sind die Kriterien und Bewertungen der unterschiedlichen Beteiligten, also der einzelnen Stakeholder, die in der einen oder anderen Weise mit dem Krisendienst zu tun haben. Dazu gehören die verschiedenartigen Nutzer (Klienten, Angehörige, Professionelle aus dem Versorgungssystem), Mitarbeiter des BKD, Einrichtungen der Berliner Versorgung, Ärzte, Einwohner von Berlin als potentielle Nutzer usw. Die Kriterien dieser stakeholder sollten in eigenen Untersuchungen erhoben werden. Um der Forderung des Auftraggebers nachkommen zu können, auch die Weiterentwicklung und das Qualitätsmanagement des Berliner Krisendienstes zu unterstützen, wurden sowohl Elemente einer formativen wie auch einer summativen Evaluation in das Design aufgenommen. Bei ersterer werden die Ergebnisse am Ende eines Projekts untersucht und es wird beurteilt, ob die Maßnahme im Sinne ihrer Zielsetzung erfolgreich war oder nicht. Bei letzterer fließen die Forschungsergebnisse kontinuierlich in die Entwicklung des Projekts ein und steuern die Entwicklung mit. In der nachfolgenden Studie wurden die Ergebnisse in unterschiedlicher Form immer wieder an den BKD zurückgemeldet (Zwischenberichte, Gesamtteamtreffen, Besprechungen mit Mitarbeiter-AGs und Geschäftsführern, Diskussionsforum Berliner Krisendienst, Sonderauswertungen für unterschiedliche Diskussionen und Präsentationen des BKD usw.), der vorliegende Bericht gibt aber gleichzeitig auch im Sinn einer summativen Evaluation einen Einblick in den Stand des BKD, den er am Ende der Erprobungsphase erreicht hat. Die Systematik, die dem Design der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegt, ist diejenige des Qualitätsmanagements. Qualitätsmanagement und Evaluation durchdringen sich häufig gegenseitig. Darauf hat u.a. TROJAN & LEGGEWIE (1999) verwiesen. Aspekte wie Struktur, Prozess und Ergebnis werden zur Gliederung beider Bereiche genutzt. Dies ist aber nicht nur eine äußerliche Ähnlichkeit, sondern beide Ansätze sind miteinander verwoben, ergänzen und fördern einander, vor allem dann, wenn man Evaluation als formative Evaluation im oben beschriebenen sozialwissenschaftlichen Sinne versteht. Die Untersuchung, die eigentlich aus einer Vielzahl von aufeinander bezogenen Einzeluntersuchungen besteht, wurde daher nach dieser Systematik strukturiert. Hinsichtlich der Struktur- oder Potentialdimension sollte laut Konzept eine sorgfältige Deskription der materiellen und ideellen Voraussetzungen des BKD vorgenommen werden. Hierunter zählen sowohl die materielle Ausstattung der Dienste, ihre Organisationsstruktur, die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Mitarbeiter als auch ihre Einbettung in der Region, ihre verkehrstechnische Erreichbarkeit usw. Zu diesem Bereich gehörte auch die Entwicklung einer Basisdokumentation, die eine kontinuierliche Erfassung von Daten für unterschiedliche Zwecke erlauben sollte. (Entwicklung der Inanspruchnahme des Krisendienstes, Beschreibung des Klientels, Arbeitsweise der Dienste, Vernetzung, persönliche Einschätzung des Einsatzes durch die Mitarbeiter usw.). Die Prozessqualität sollte vornehmlich zusammen mit den Mitarbeitern im Rahmen der Selbstbeforschung untersucht und verbessert werden. Hierzu sollten Schlüsselprozesse im Rahmen eines Prozessgliederungsplanes bestimmt werden, die dann beschrieben und schrittweise verbessert werden sollten. Zusätzlich sollten aber auch Informationen über die Art und die Formen der Interventionen mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren (qualitative und quantitative Analysen von Daten aus der Basisdokumentation, Klientenaussagen), gesammelt werden, so dass Aussagen über die Prozessqualität der Arbeit möglich sein sollten. Neben der Arbeit mit den Klienten ist die Vernetzung und Kooperation mit den regionalen Einrichtungen der psychosozialen und psychiatrischen Versorgung eine wichtige Aufgabe des BKD. Beide stellen zentrale Forderungen im Rahmen der Gesundheitsversorgung, -planung und -förderung dar; mit ihnen verbinden sich eine Vielzahl von Erwartungen an die Verbesserung der Versorgung, an die Identifizierung von Rationalisierungs- und Kosteneinsparungspotentialen usw. Die Untersuchung der Kooperation und der Vernetzung der Versorgungseinrichtungen und der Mitarbeiter sollte daher einen der Schwerpunkte der Evaluation darstellen. Die Untersuchung und der Nachweis von Bezügen zum und Auswirkungen auf das gesamte Versorgungssystem erschien von besonderem Interesse. Diese Aspekte sollten in der Studie ein besonderes Gewicht erhalten, wobei auch untersucht werden sollte, wie die Steuerung des Krisendienstes durch einen beauftragten Bezirk gelingt bzw. inwieweit die Bezirke in den einzelnen Regionen in die jeweilige Arbeit der Standorte einbezogen werden. Besonders interessant schien dabei das Vernetzungspotential zu sein, das durch die Honorarmitarbeiter repräsentiert wird. Durch ihre Doppelrolle als Mitarbeiter der regionalen Einrichtung und des Krisendienstes sind sie in der Lage, die Vernetzung als Person zu betreiben und unterschiedliche Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Einrichtungen herzustellen. Zur Untersuchung von Synergieeffekten durch Vernetzung und Bekanntheitsgrad lagen aus vorangegangenen Untersuchungen Fragebögen mit entsprechenden Unterskalen vor. Hieraus sollte ein entsprechender Fragebogen konstruiert werden. Zur Abschätzung der Ergebnisqualität sollten die Ziele und Kriterien für erfolgreiche Tätigkeit des BKD aus mehreren Perspektiven heraus erhoben werden. Dieses Vorgehen entspricht dem oben genannten Stakeholder-Ansatz, bei dem davon ausgegangen wird, dass bei unterschiedlichen Interessengruppen unterschiedliche Kriterien und Bewertungen der Angebote zu finden sein werden. Grob lassen sich zunächst folgende Gruppen und Zielformulierungen unterscheiden, die einbezogen werden müssen: ? die Auftraggeber, also das Bezirksamt Charlottenburg von Berlin bzw. die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sowie die einzelnen Bezirke ? die Antragsteller, also der Trägerverbund Berliner Krisendienste (GbR) ? die Mitarbeiter der Krisendienste, sowohl Kernteam als auch Honorarmitarbeiter ? die Mitarbeiter der übrigen psychosozialen/psychiatrischen Versorgung in Berlin ? die Bevölkerung bzw. die potentiellen Nutzer der Einrichtungen ? die Forscher Die jeweiligen Zielsetzungen und die späteren Bewertungen sollten auf unterschiedliche Weise dokumentiert und analysiert werden. Die Zielsetzungen des Auftraggebers und des Antragstellers sind im Konzeptpapier repräsentiert. Die dort angesprochenen expliziten und impliziten Zielsetzungen sollten analysiert und operationalisiert werden, um auf diese Weise Instrumente zur Bewertung aus dieser Perspektive zu gewinnen. Die Zielsetzungen und Kriterien der Kernteammitarbeiter sollten in einer Zukunftswerkstatt gemeinsam entwickelt, in der Selbstbeforschung bearbeitet und in qualitativen Interviews erhoben werden. Die Mitarbeiter des regionalen Versorgungssystems sollten mit Hilfe eines Fragebogens gebeten werden, ihre Zielsetzungen, Einstellungen zur Krisenarbeit, Wünsche und Anregungen bekannt zu machen. Als wünschenswert wurde formuliert, die Erwartungen Einstellungen und Gütekriterien der Bevölkerung, d.h. auch der potentiellen Nutzer, einzubeziehen. Anhand der Literatur und von Untersuchungsergebnissen der Forschergruppe sollten ebenfalls Erfolgskriterien entwickelt werden, die aus einer wissenschaftlichen Perspektive die Einschätzung der Ergebnisqualität erlauben. Als solche allgemeine Außenkriterien für die Evaluation sollten auch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention zur Organisation von Krisenintervention dienen (FREYTAG et al. 1998). Auch eine gesundheitsökonomische Analyse sollte einbezogen werden, wobei die Möglichkeiten dazu eher als gering eingeschätzt wurden, da zum Vergleich Daten über die Kosten des gesamten Systems der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung in Berlin nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stünden. Auf alle Fälle sollten jedoch die Kosten der einzelnen Interventionsbausteine (z.B. Telefongespräch, persönliches Gespräch, Hausbesuch usw.) berechnet werden. Hierdurch werde es möglich, die Kosten der Aktivitäten der Mitarbeiter anzugeben und ggf. mit den Kosten anderer Einrichtungen zu vergleichen.
    de
  • Persistent Identifier
    https://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:bsz:291-psydok-634
  • Persistent Identifier
    https://hdl.handle.net/20.500.11780/53
  • Persistent Identifier
    https://doi.org/10.23668/psycharchives.9171
  • Language of content
    deu
  • Is part of
    Berliner Zentrum Public Health, Blaue Reihe, ISSN 0949 0752
  • Keyword(s)
    Gemeindepsychologie
    de
  • Keyword(s)
    Krisenintervention
    de
  • Keyword(s)
    Evaluation
    de
  • Keyword(s)
    Psychische Gesundheit
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    Öffentliches Gesundheitswesen
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    Qualitative Methode
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  • Keyword(s)
    Intervention
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  • Keyword(s)
    Gesundheitspsychologie
    de
  • Keyword(s)
    Versorgungssysteme
    de
  • Keyword(s)
    Krisendienst
    de
  • Keyword(s)
    Berliner Krisendienst
    de
  • Keyword(s)
    Mental Health
    en
  • Keyword(s)
    Public Health
    en
  • Keyword(s)
    Evaluation
    en
  • Dewey Decimal Classification number(s)
    150
  • Title
    Wissenschaftliche Begleitforschung des Berliner Krisendienstes
    de
  • DRO type
    report
  • Visible tag(s)
    PsyDok